Ende Januar bekomme ich eine Email von meiner Freundin Katharina. Ich hatte dieses Jahr noch nichts von ihr gehört und dachte sogar erst vor ein paar Tagen daran, ihr mal wieder zu schreiben.
Doch als ich die email öffnete, bekam ich folgendes zu Lesen:
“Liebe Stefanie,
hoffe sehr, Dir geht es besser als mir. Hatte am 4.1. eine Gehirnblutung und
bin jetzt dabei, meine linke Körperhälfte wieder zu aktivieren.”
Nehmen wir mal an, es läge in unserer Macht, so eine Gehirnblutung zu vermeiden, würden wir es tun?
Fakt ist, das was sie bisher getan hat, hat die Gehirnblutung nicht vermieden und um die Gehirnblutung zu vermeiden müsste sie somit etwas anderes tun.
Denn das Selbe zu tun und ein anderes Ergebnis zu erwarten, ist die Definition von Wahnsinn (laut Damian Richter)
Was hat sie bisher getan?
Katharina ist quasi die Mutter Theresa von Regensburg. Eins von vielen Beispielen: Als ich erkältet war, kam sie einfach mit einer Tüte voll Taschentücher, Tigerbalsam, und Grußkärtchen vorbei und wünschte mir gute Besserung. Sie besitzt eine Ferienwohnung und ist der aufopfernste und fürsorglichste Host, den man sich wünschen kann.
Sie arbeitet freiwillig und endgeldlos für verschiedene wohltätige Organisationen. Hat nette Worte für Jedermann und sieht immer das Gute im Menschen, ist geduldig und versucht Harmonie in jegliche angespannte Situation zu bringen.
Ich habe Katharina bisher in den 5 Jahren, die wir uns kennen, nur ein mal sauer erlebt, als es viele Missverständnisse mit einem Feriengast gab. Und selbst da, als sie mir in Rage erzählt hat, was vorgefallen war, hat sie sich nach jedem Satz bei mir entschuldigt, dass sie gerade so sauer ist.
Wenn ich Katharina in einem Sprichwort beschreiben müsste, würde mir als erstes “Gute Miene zu Bösem Spiel” einfallen.
Wenn wir kleine Kinder beobachten sind dort alle Emotionen vorhanden: Freude, Traurigkeit, Wut, Angst….
Uns Mädchen wird die Wut “abgewöhnt” und stattdessen anerzogen, dass wir artig, ruhig, bescheiden, freundlich, rücksichtsvoll und angepasst sind. Dass wir uns immer hinten anstellen und die Bedürfnisse der anderen immer vor unseren eigenen kommen. “Ich muss es allen recht machen” “Ich darf nicht zur Last fallen” Katharina ist mittlerweile in ihren 60ern und ich denke in ihrer Kindheit war es noch strenger.
Ich frage mich, kann man etwas, das von Natur aus in uns ist, abgewöhnen oder unterdrücken? Löst es sich dann in Luft auf? Meistens ist das Gefühl soweit abgewöhnt, dass wir bewusst sagen: "das habe ich gar nicht". Aber wie gesagt, als Kinder waren ALLE Emotionen da, bei jedem. Wir haben nur gelernt, es automatisch zu unterdrücken, so dass wir es nicht mehr spüren.
Wenn ich im Bett liege und nachts auf die Toilette muss, kann ich definitiv den Harndrang unterdrücken, das heißt aber nicht, dass der Urin plötzlich nicht mehr vorhanden ist.
Der ganze Körper ist ein System. Und ich stelle die These auf, wenn man an einem Ende unterdrückt, unterdrückt, unterdrückt, kommt es an einem anderen Ende von diesem System irgendwo wieder raus. Explosionsartig. Und vielleicht ist so eine Explosion eine Ader, die im Kopf platzt und eine Gehirnblutung verursacht.
Ist es möglich, dass wenn man sich selber immer hinten anstellt und immer schaut, dass die Bedürfnisse der anderen zuerst erfüllt sind, es im Körper irgendwann (wenn das Maß voll ist) mal einen Schalter umhaut, der darauf aufmerksam macht (durch extreme Krankheit), dass man mal umdenken sollte, und sich mehr um sich selber kümmern sollte. Was man ja automatisch macht, wenn man so krank ist..
Und wenn das so ist, kann man dieses Schalter umhauen vermeiden (die Krankheit), wenn man sich vorher schon einfach mehr um sich kümmert, zu den Leuten “halt, stop, nein” sagt wenn sie um zu viel fragen oder die eigene Grenze überschreiten?
Wenn wir “Nein” sagen, wenn wir “Nein” meinen, wenn wir unsere Bedürfnisse nicht hinter die des anderen stellen sondern daneben, auf gleiche Höhe. Wenn wir sauer sind uns einfach mal fragen, was genau macht mich sauer? Welches Bedürfnis ist gerade in dieser Situation nicht erfüllt? Anstatt den Ärger wegzudrücken und gute Miene zu bösem Spiel zu machen. Können wir dann Krankheit vermeiden?