Verantwortung übernehmen

 

An meinem letzten Tag in Gram planten wir für abends ein Lagerfeuer. Spiele, Marshmallows und Musik. Was für ein schöner Ausklang einer schönen Zeit.

 

Lisbeth, die auch auf dem Anwesen der Schule wohnt kommt abends zu mir und bittet mich, keine Musik am Feuer zu machen.

 

Sie erzählt, dass sie vor Jahren ein Autounfall hatte und sie seither nicht mehr mit Lärm umgehen kann. Sie bekommt Panik und Stress, deshalb wohnt sie auch hier, in der Abgeschiedenheit, wo es so leise wie möglich ist.. Sie bekommt Frührente vom Staat weil sie wegen dieser Sache nicht mehr arbeiten kann.

 Leider ist es hier für sie schwierig, erzählt sie weiter, die Volunteers ruhig zu halten, weil ja jeden Monat neue hier sind. Also nochmal die Bitte: keine Musik am Lagerfeuer und in ruhiger Lautstärke sprechen.

 

Lösungsorientiert wie ich nun mal bin ist meine prompte Antwort “Schade, dass du mir das nicht früher erzählt hast, ich hätte dich hypnotisieren können, damit du besser mit dem Stress umgehen kannst.”

 

Zu meiner Verwunderung reagiert sie eher empört. Dass ihr hier jeder sagt, was sie tun soll. Meditation, Atemübungen, jetzt komm ich noch mit der Hypnose daher. Sie hatte viel versucht, und nichts hat geklappt und das ist jetzt halt so, und die Leute sollen aufhören ihr zu sagen, was sie machen soll.

 

 

Ich überlege: warum tendieren Leute unabhängig von einander dazu, ihr zu sagen, was sie tun soll? Und dabei fällt mir auf – sie macht ja genau das Gleiche – bzw. sie sagt den Leuten was sie nicht tun sollen. (keine Musik, keine lauten Gespräche) Und verständlich, keiner mag es, wenn er gesagt bekommt, was er tun und lassen soll – sie nicht, aber die anderen auch nicht.

 

Jetzt überlege ich noch einen Schritt weiter: Es ist ihr Problem. Sie bekommt Stress, wenn es um sie herum laut wird. Aber andere Leute sollen sich anders verhalten, damit sie mit ihrem Problem besser umgehen kann, anstatt dass sie selbst die Verantwortung für ihr Problem übernimmt und SICH anders verhält um besser damit umzugehen. Denn unterm Strich ist es ihr Problem und nicht das der anderen. Und klar, kann ich darum bitten, dass Leute Rücksicht nehmen, was die Leute aber im Endeffekt tun kann ich nicht beeinflussen.

 

 

 

Tony Robbins sagt: Wir sind alle in der Lage unsere Probleme zu lösen, wenn unser Unterbewusstsein aber erkennt, dass das Problem mindestens 3 Grundbedürfnisse erfüllt, wird es den Teufel tun und es lösen, ganz im Gegenteil, es wird das Problem beschützen.

 

Und da Lisbeth ja tatsächlich mit Empörung auf Lösungsversuche reagiert, überlege ich mir, welchen positiven Nutzen hat ihr Stress-bei-Lärm-Problem denn?

 

1. Sie muss nicht arbeiten und bekommt Geld vom Staat und kann ganz ihrem Hobby Natur nachgehen (erfüllte Grundbedürfnisse: Sicherheit/Significance)

 

2. Andere richten sich nach ihr und schränken sich ein in Lautstärke (Erfülltes Grundbedürfnis: Significance)

 

(hey, ganz ehrlich, auch ich wünschte Leute würden mal das tun was ICH sage ;) )

 

3. Andere hören ihrem Problem zu und trösten und betüdeln sie (Erfüllte Grundbedürfnisse: Verbindung/Significance)

  

Ich verstehe warum ihr Unterbewusstsein das Problem behalten will. Und gleichzeitig verstehe ich, dass mein Bewusstsein sagt: Ich habe ein Leben ohne große Probleme und möchte mich nicht so verhalten müssen, als hätte ICH welche. Ich KANN Musik hören, ich KANN lachen und ich MAG es wenn andere um mich rum laut lachen.

  

 Jeder Mensch tut immer in jeder Situation das Beste, das er kann. Denn wenn er was Besseres könnte, würde er das ja tun. OK. Aber jeder Mensch kann sich bessere Strategien zur Erfüllung seiner Bedürfnisse aneignen. Strategien, bei denen keiner leidet. Denn im Moment leidet sie unter ihrem Problem UND ihr Umfeld unter Einschränkungen. Also erfüllt das Problem nur die Bedürfnisse, ist aber loose-loose Strategie. Es ist wie etwas essen, das einem nicht schmeckt. Es stillt den Hunger, aber es schmeckt halt nicht. 

Was kann ich bewusst tun, damit ich mich significant fühle?

Was kann ich bewusst tun, damit ich mit anderen in Verbindung bin?

Was kann ich bewusst tun, damit ich mich sicher fühle?